Was wirklich zählt - aus dem Alltag einer Mutter

Ich habe noch soviel zu tun, denke ich kurz nach meinem verspätetem Feierabend und haste zum Auto. Naja, keine Zeit zum Gedanken machen, es gibt noch genug zu bügeln, ich muss noch was einkaufen, die Kinder abholen. Mein Mann kommt heute auch nicht nach Hause, es bleibt wie immer alles an mir hängen. Dieser Frust macht mich wahnsinnig, ich möchte schreien, raus, möchte weg und alles hinter mir lassen. Versteht das irgend jemand? Hört mich überhaupt irgendwer, wenn ich alleine im Auto heule, weil ich nicht mehr kann? Weil ich nicht mehr weiß, wer ICH eigentlich bin.
Durchatmen, es hilft nichts, so haben wir das gewollt, es geht immer weiter, das Leben macht keine Pause. Und ich auch nicht.
Der Einkauf ist geschafft, ich habe den Kindern was mitgebracht. Ich habe einfach viel zu wenig Zeit für die beiden. Und für meinen Mann, meine Freunde. Und auch für mich, aber das zählt erstmal nicht. Zuerst muss alles andere geklärt sein bis ich mich mir selbst widmen kann. Genug Sorgen und Probleme haben wir. Und es hört nicht AUF!!
Weihnachtsgeschenke muss ich noch ein paar besorgen, ansonsten ist da alles geregelt. Es ist wie jedes Jahr ein Gehetze, wer zu wem, wer kocht, wo gehen wir hin – wo ist nur die Gemütlichkeit dieses Festes geblieben? Einfach mal zusammen am Kamin sitzen, ein Spiel spielen oder einfach kuscheln und erzählen. Wunschträume. Damit hat Weihnachten kaum noch was zu tun. Wann ist das eigentlich so gekommen?
Das Handy klingelt, mein Mann muss drei Tage länger auf Baustelle bleiben, es geht nicht voran. Ich bin so müde und so wütend. Ich verstehe, dass es sein muss aber ICH KANN NICHT MEHR! Wir streiten uns, mal wieder. Wir müssen dringend was ändern, aber wie. Mist, ich muss die Kinder abholen. Keine Zeit mehr für meinen Kaffee, der wird eben kalt. Noch schnell eine Waschmaschine anmachen und los. Die Kinder sind müde und schlecht gelaunt, ein Berg Hausaufgaben wartet auf uns. Darauf haben die beiden so wenig Lust wie ich. Nach kurzer Zeit gibt es schon Streit und Diskussionen…Ich kann das nicht mehr.
Ich bereite Abendessen vor, die Kinder spielen alleine, alle haben sich etwas beruhigt. Doch fühlt sich so glücklich sein an? Ich schneide wie mechanisch Brot ab und könnte schon wieder heulen. Was ist nur los mit mir? Ich fühle mich nur noch wie eine Hülle, wie als wäre ich da aber eigentlich doch nicht. ICH bin weit weg von hier. Und alles geht immer weiter.
Beim Zu-Bett-Gehen wollen die Kinder, dass ich bei ihnen bleibe. Es ist noch soviel zu tun, wie soll ich das machen? Ich merke, wie meine Anspannung steigt. Ich bleibe ein bisschen bei Ihnen sitzen. Nach einer halben Stunde gehe ich raus. Es muss aufgeräumt werden, nochmal saugen und die Bügelwäsche steht immer noch da. Mein Mann ruft an und will telefonieren, über unseren Tag, sagt er vermisst uns und wäre lieber bei uns. Ich kann mich kaum darauf einlassen. Ich bin müde, will nur noch schlafen.
Gegen Mitternacht liege ich endlich im Bett, wach und starre an die Decke. Die Gedanken und Sorgen kreisen, kommen in der Nacht wie kleine miese Gespenster und lassen mich nicht einschlafen. Es ist zu viel denke ich noch und schlafe irgendwann erschöpft ein. Das Buch auf meinem Nachttisch sehe ich noch mit halboffenen Augen und denke noch, das musst du auch endlich mal lesen, bevor mich die Albträume in eine erschöpfende Nacht ziehen und ich am nächsten Morgen wie gerädert aufwache. Ich sehe das Buch an, „Ein ganzes halbes Jahr“ ist der Titel. Ein ganzes halbes Leben müsste es heißen.
Denn so fühlt es sich an.“
Momente wie diese…
…treffen uns im Leben in unterschiedlichster Ausprägung. Wir fühlen uns überfordert, kommen an unsere Grenzen. Auch als Eltern kann uns das ganz alltägliche Leben zu viel werden. Es gibt Zeiten, die uns alles abverlangen und unsere Reserven aufbrauchen. Dann reichen schon „Kleinigkeiten“ wie die Socke neben dem Wäschekorb, der Wutanfall im Kindergarten oder ein unbedachter Kommentar einer Arbeitskollegin. Dann bricht die Fassade, die wir mühevoll aufrechterhalten wollen und das Fass läuft über.
Wir fühlen uns manchmal hilflos, manchmal wütend und manchmal ist uns einfach nur nach Rückzug zumute. Decke über den Kopf, alles aus, alle raus. In dieser Lebenssituation scheint jedes Problem unüberwindbar, jede weitere Aufgabe zu viel und die an uns gestellten Anforderungen viel zu hoch. Das Ergebnis sind nicht selten Streit mit dem Partner, wenig bis keine Geduld gegenüber unseren Kindern, Unzufriedenheit, Schlaflosigkeit, sich immer kreisende Gedanken ohne Ziel. Eine Spirale, die uns gefangen hält. Wir fühlen uns allein.
Doch wie kann ich diesem Kreislauf entgehen?
Eigentlich gar nicht, denn solche Phasen gehören zum Leben dazu, genauso wie die leichten und unbeschwerten Zeiten. Die Frage sollte eher heißen: „Wie kann ich damit umgehen?“ Und hier ist zunächst entscheidend, dass wir nicht versuchen sollten, allein mit diesem Gefühl der Überforderung zurechtzukommen. Eltern sein ist die wunderschönste und gleichzeitig schwerste Aufgabe des Lebens und wir lernen jeden Tag dazu. Die Reise ist nie zu Ende und es geht allen anderen genauso.
Also tauscht euch aus. Teilt euch mit. Verbindet euch. Das kann ein Kaffee mit der Freundin sein, ein Kommentar in einer Facebook Gruppe oder das Treppengespräch mit der Mutti aus dem Kindergarten. Oftmals erkennen wir im Kontakt mit unseren Mitmenschen schnell, dass wir alle ähnliche Probleme und Sorgen haben. Und manchmal hilft auch einfach nur das Aussprechen und Mitteilen eines Gefühls. Der Moment mit einem lieben Menschen. Die Erkenntnis, nicht alleine zu sein.
Und wenn einem nicht nach Gesellschaft ist, dann hilft auch mal der Wechsel des Blickwinkels auf die Situation. Durchatmen, die Augen schließen und darüber nachdenken, ob der erledigte Haushalt mich heute noch so viel glücklicher machen würde oder doch eher der Disney Film auf dem Sofa und das Kuscheln mit meinen Kindern. Ob nicht auch ein gekaufter Kuchen für den Kita-Kuchen Basar reicht und nicht die selbst gemachten Einhorn Muffins und stattdessen Zeit für einen Kaffee für mich dadurch herausspringt. Und wenn wir nach einem anstrengenden Tag inklusive Wutanfall des Kindes im Supermarkt mit schweren Einkaufstüten nach Hause kommen, hilft manchmal der kurze Blick an den Kühlschrank, auf das selbst gemalte Familienbild, um zu wissen, was zählt.
Wir selbst entscheiden, wem oder was wir im Leben welche Bedeutung zuteilen. Und am Ende des Tages sind es doch viel mehr die aufmunternden Worte unserer Freundin, das wissende Lächeln der Erzieherin im Kindergarten und die kleine Hand in unserer, die uns Kraft geben und im Herzen bleiben.